Von Likizo Ringera
Viele politische Kräfte glauben, dass Sie die Lösung für den "Echten Frieden" in der Ukraine haben. Doch was ist realistisch?
Ukrainische Soldaten an einem Kontrollposten © Anton Holoborodko
Der Eklat im Weißen Haus ist schon einige Wochen her, aber seine Auswirkungen hallen in allen politischen Kreisen noch bis heute nach. Die beispiellose Respektlosigkeit Donald Trumps und seiner Administration gegenüber dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hat zu einer noch nie dagewesenen Unsicherheit bei den westlichen Verbündeten geführt, insbesondere bei der Frage, ob die USA auch in Zukunft ihrer Verpflichtung im Rahmen der NATO nachkommen werden. Die Tatsache, dass Donald Trump nicht einmal Russland mit seinem Machthaber, Präsident Putin, als Aggressor in diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg benennen kann, erhöht nicht gerade die gefühlte Zuverlässigkeit.
Wer der Aggressor und wer das Opfer ist, scheint in diesen Zeiten nicht mehr eindeutig zu sein und ist oft unabhängig von Fakten oder den blanken Tatsachen. In Zeiten von Fake News und der Diffamierung der sogenannten Legacy-Medien (auch in Deutschland) entstehen alternative „Realitäten“, die eine andere Geschichte erzählen.
Unabhängig davon, wer den Krieg begonnen hat und warum, lässt sich feststellen, dass alle Parteien an einem Frieden interessiert sind. Allerdings haben sie unterschiedlichste Probleme, weshalb ihre Vorstellungen von einer Friedensregelung stark variieren. Diese werden wir im Folgenden betrachten.
Die Vereinigten Staaten unter Donald Trump vollziehen im Schnelldurchgang einen Prozess, der sich schon länger abgezeichnet hat. Bereits unter Biden und Obama verlagerte sich der militärische und politische Fokus auf Asien, insbesondere auf China. Die unglaubliche Entwicklung, die China im 20. und 21. Jahrhundert erreicht hat, führt dazu, dass sich die USA in ihrer Vormachtstellung bedroht fühlen. Dies einzudämmen und die Interessen der USA zu sichern, führt dazu, dass immer mehr militärisches und ziviles Personal sowie Material in die Region gesendet wird. Das enorme Budget der größten Militärmacht der Welt ist zwar extrem groß, aber nicht unbegrenzt. Die NATO und die Unterstützung der Ukraine erscheinen in den Augen einiger US-Amerikaner nicht mehr verhältnismäßig zu den teilweise konträren Interessen eines immer eigenständiger agierenden Europas. Russland wird nur noch als Regionalmacht angesehen und spielt im weltpolitischen Machtkampf nur eine zweitrangige Rolle. Einige politische Kommentatoren vermuten daher, dass Teile der Trump-Administration versuchen, das Verhältnis mit Russland zu verbessern und es womöglich auf ihre Seite zu ziehen, um so die China-Russland-Achse zu zerbrechen. Mit Russland und seinen Ressourcen könnten die USA auch gegen ein wachsendes China, das erst kürzlich im Nationalen Volkskongress eine erneute massive Erhöhung des Militärbudgets beschlossen hat, mächtig bleiben. Die Ukraine wäre in diesem Szenario ein geopolitische Opfergabe – ebenso wie das weniger interessante Europa. Ein schneller Frieden auf Kosten der Ukraine und Europas könnte den langfristigen US-Interessen dienlich sein.
„Russland möchte auch Frieden.“ So sagte es Putin kürzlich in einer Pressekonferenz mit dem belarussischen Präsidenten Lukaschenko in Moskau. Russland kann jedoch aufgrund seiner Versprechungen und insbesondere zur Gesichtswahrung keine Einigung zulassen, die es im schlechten Licht oder gar als Verlierer dastehen ließe. Es hat daher ein Interesse daran, den Krieg fortzusetzen, solange die auf Kriegswirtschaft umgestellte Volkswirtschaft und das durch die Wehrpflicht bereitgestellte Personal dies hergeben. Und von beidem wird Russland wohl so bald nicht zu wenig haben. Zudem erzielt Russland aktuell kleine, aber bemerkenswerte Fortschritte an der Front. Insbesondere in Gebieten ohne natürliche Barrieren, wie etwa Flüsse, ist die ukrainische Verteidigung nur unzureichend. Wenn Russland also mehr gewinnt, indem es den Konflikt fortsetzt, warum sollte es ihn dann beenden? Russland gibt daher nur vor, an einem Frieden interessiert zu sein, um Bedingungen zu schaffen, die dazu führen, dass die Ukraine ihre Unterstützung verliert und letztlich vollständig einnehmbar wird. Eine Kooperation mit den USA würde Russlands Legitimation erhöhen und wirtschaftliche Vorteile bringen, insbesondere im Hinblick auf den menschengemachten Klimawandel und die Erschließung der Nordpolarrouten für Frachtschiffe sowie die Ausbeutung natürlicher Ressourcen.
Die oft beschworene, aber selten funktionierende „gemeinsame europäische Antwort“. Von Premierminister Starmer des Ex-EU-Mitglieds Großbritannien über Frankreichs Präsident Macron bis zur Hohen Vertreterin der EU für Außenpolitik, Kaja Kallas, sind sich alle einig, dass nur eine gemeinsame europäische Lösung der Ukraine helfen und Europa in der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen den Weltmächten gehört werden wird. Blockierer und russlandfreundliche Politiker wie Ungarns Viktor Orbán zeigen jedoch die grundlegenden Fehlstrukturen der EU auf, die sie lähmen und handlungsunfähig machen. Die mangelnde Koordination der Militärhilfe an die Ukraine und die Mehrfachstrukturen der einzelnen nationalen Streitkräfte führen zu einem ineffizienten und unorganisierten Chaos, das nur durch die NATO-Standards für Waffensysteme begrenzt wird.
Präsident der Ukraine Volodimyr Zelensky © Україна
Das wohl größte Interesse an einem echten und fairen Frieden hat die Ukraine unter Präsident Wolodymyr Selenskyj. Das ideale Ziel der ukrainischen Bevölkerung ist die Wiederherstellung der Grenzen von 2014. Alternativ die Wiederherstellung der Grenzen vor Beginn der Vollinvasion im Jahr 2022. Mindestens jedoch soll verhindert werden, dass weitere Gebietsverluste entstehen. Die Gefahr eines „falschen Friedens“ ist eine der größten Sorgen der politischen und militärischen Führung sowie der ukrainischen Bevölkerung. Mit der Einstellung der militärtechnischen und nachrichtendienstlichen Hilfe der USA sind die Material- und Personalressourcen noch knapper geworden. Es besteht die Gefahr, dass die Verteidigung an der Front nicht weiter aufrechterhalten werden kann. Die Ukraine will daher einen Frieden, der mindestens die aktuelle Frontlinie einfriert und langfristig verhindert, dass Russland seine militärischen Kapazitäten erhöht und eine erneute Invasion beginnt.
Passende Darstellung der Problematik der Kosten-Nutzen-Rechnung durch Prof. William Spaniel
© Prof. William Spaniel – University of Pittsburgh https://youtu.be/DJ3UB3iSd2o?si=deCBrOQRkebJ9nNo
Die Begründung ist dabei leicht nachvollziehbar. Russland muss in seiner Abwägung der Gewinne zum Schluss kommen, dass eine Fortsetzung der “Spezialoperation” gleichviel oder weniger bringen würde, als einem Waffenstillstand oder Frieden zuzustimmen. Solange dies nicht so ist, wird der Krieg eine Fortsetzung finden. Wichtig ist daher, die Verteidigungs- und Abwehrkapazitäten der ukrainischen Streitkräfte zu erhöhen und den Ausbau der Frontbefestigungen voranzutreiben. Europa braucht die Ukraine ebenso sehr, wie die Ukraine Europa braucht.
Datum: 14.04.2025